Elgar wurde am 2. Juni 1857 im Dorf Broadheath etwa 5 Kilometer von der Provinzstadt
Worcester in den englischen West Midlands entfernt geboren. Sein Vater war Besitzer eines
Musikaliengeschäfts in Worcester sowie auch ein umherziehender Klavierstimmer.
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The Elgar shop in the centre of Worcester
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Daher hatte der junge Elgar den großen Vorteil, in einem durchaus praktisch
geprägten Musikumfeld groß zu werden. Er studierte die im Laden seines Vaters
verf�gbare Musik und hat sich selber beigebracht, viele verschiedene Instrumente zu spielen. Es
ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß Elgar weitestgehend autodidaktisch zum
Komponisten wurde - ein Beweis für die ausgeprägte Entschlossenheit, die seinem
Genie zugrunde lag. Sein langer Kampf, um sich als einen herausragenden Komponisten
internationalen Ranges zu etablieren, war hart und oft sehr bitter. Jahrelang mußte er mit
Apathie, mit den Vorurteilen einer eingefleischten Musikestablishments, mit religiöser
Bigotterie (er war Mitglied der katholischen Minderheit in dem vorwiegend protestantischen
England) sowie mit einer spätviktorianischen Provinzgesellschaft, in der
Klassenbewußtsein alles durchdringte, kämpfen.
Durch die 1880er und 1890er Jahre hindurch wuchs seine Erfahrung. Sein Stil reifte auch
an seiner Dirigenten- und Kompositionstätigkeit für lokale Musikgesellschaften.
Zudem gab er Violinunterricht und spielte Orgel an der katholischen St. Georgs Kirche in
Worcester.
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Alice Elgar |
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1889 heiratete er eine seiner Schülerinnen, Caroline Alice Roberts, Tochter des
verstorbenen General majors Sir Henry Roberts, der auf eine glänzende Karriere beim
britischen Heer in Indienzurückblicken konnte. Sie heiratete Edward trotz des
Widerspruchs ihrer Tanten und Kusinen (ihre Mutter starb 1887), die ihr einzureden versuchten,
daß sie die Heirat mit dem Sohn eines einfachen Ladenbesitzers unter ihrem Stand sei.
Dennoch spielte Alice durch ihre Entschlossenheit und ihren unerschütterlichen Glauben
an Edwards zu Tage tretendes Genie eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der Karriere
Elgars.
Allmählich und durch solche Fr�hwerke wie die Froissart Ouverture (1890), den Imperial March
(1897) und die Kantaten King Olaf (1896) und Caractacus (1898) verbreitete sich jetzt sein Ruf
über die Gegend unmittelbar um sein heimatliches Worcestershire hinaus. Sein erster
großer Erfolg waren 1899 die Variations on an Original
Theme (Enigma). "Meinen darin dargestellten Freunden" gewidmet, zeigte dieses
Werk, ein Meisterwerk in Form und Instrumentation, daß Elgar von diesem Zeitpunkt den
anderen bedeutenden englischen Komponisten seiner Zeit sowohl in der Technik als auch in der
absoluten Kraft seiner musikalischen Persönlichkeit überlegen war.
Nach den Sea Pictures, einem Liederzyklus
für Alt und Orchester (1899), kam eine von Elgars größten sakralen
Kompositionen - The Dream of Gerontius - basierend
auf dem Gedicht des Kardinals Newman über den Weg, den die Seele über die
Schwelle des Todes bis zum jüngsten Gericht und darüber hinaus geht. Leider, als
Folge der unzulänglichen Proben, war bei der Uraufführung dieses komplexen und
originellen Werkes im Oktober 1900 in Birmingham der Erfolg ausgeblieben. Dennoch hat die
Mehrheit der Kritiker die Größ�e des Werkes erkannt. Glücklicherweise
wurde diese Komposition dank einer zweiten Aufführung durch Julius Buths in
Düsseldorf im Dezember 1901 sowie auch im Mai des folgenden Jahres bei den
Niederrheinischen Festspielen in Düsseldorf, vor dem Vergessen gerettet. Nach der
letzteren Aufführung wurde Elgar von Richard Strauss als der erste wirklich progressive
englische Komponist gelobt. Nach dem Mißerfolg des Dream of Gerontius im Jahre 1900 war Elgar
verständlicherweise deprimiert. Jedoch innerhalb von wenigen Tagen fing er
charakteristischerweise wieder an, neue Musik zu schreiben - eine aufwallende
Konzertouvertüre Cockaigne (in London Town),
welche 1901 eine erfolgreiche Erstaufführung erlebte. Als Bestätigung dieses
Erfolgs entstanden im selben Jahr die ersten zwei der Pomp and
Circumstance Märsche, von denen der erste D-dur das berühmte Trioteil,
das später Land of Hope and Glory werden würde, beinhaltete. Elgar
wuüte den Wert dieser Musik zu schätzen, denn er hatte vorausgesagt, "Ich habe
eine Melodie, die sie schlagen - richtig schlagen - wird! ... Eine Melodie wie diese fällt
einem nur einmal im Leben ein ...". Jetzt war Elgar "angekommen". 1904 fanden Festspiele im
Covent Garden statt, bei welchen nur Elgars Musik aufgeführt wurde, u.a. die
Uraufführung des spritzigen neuen Konzert-Ouvertüre In the South, die er als Folge eines Urlaubs in Alassio in
Italien komponiert hatte. In Juli desselben Jahres wurde Elgar von König Edward VII
geadelt. Inzwischen wurden Elgars Werke sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten
aufgeführt. 1905 kam dann das Introduction and Allegro
for Strings, ein meisterhaftes Werk für Streichinstrumente, Professor Sanford
von der Yale University gewidmet. Im Jahre 1906 hat sich Elgar mit seinem großen
Oratorium The Kingdom, der Fortsetzung zu The Apostles aus dem Jahre 1903, intensiv
beschäftigt. Diese zwei Werke basieren auf einer bis ins feinste Detail ausgearbeiten
Tapisserie aus Leitmotivverbindungen im Stil Wagners. Elgars sah ursprünglich einen
Zyklus von drei Oratorien vor. Der dritte Teil dieser Trilogie wurde jedoch nie vollendet.
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Elgar conducting in EMI's Abbey Road No 1
studio in 1931
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Als nächstes begann Elgar, sich mit einem symphonischen Werk auseinanderzusetzen.
Bereits 1898 hatte er Pläne für eine Symphonie (ursprünglich um die Figur
des General Gordons). Diese Arbeit hat er im Winter 1907-08 ernsthaft wiederaufgenommen,
als er sich in Rom aufhielt. Die Symphonie Nr. 1
As-dur wurde im Dezember 1908 in Manchester uraufgeführt. Sie wurde dem
deutschen Dirigenten Hans Richter gewidmet, der diese Erstaufführung auch dirigierte
und der über diese Symphonie sagte, "Meine Herren, wir wollen jetzt die
größte Symphonie der Moderne einstudieren, komponiert vom größten
modernen Komponisten - und nicht nur dieses Landes". Das Werk wurde mit riesiger
Begeisterung aufgenommen. In Großbritannien fanden einhundert Aufführungen
statt und zudem in Amerika, Australien und Rußland u.a. weitere Aufführungen,
innerhalb von weniger als einem Jahr. August Jaeger vom Novello-Verlag - der Nimrod der Enigma Variations - schätzte das Adagio der
Symphonie als vergleichbar mit denen Beethovens. Michael Kennedy, Verfasser der
Elgar-Biographie Portrait of Elgar, bemerkt: "Diese war nicht nur Elgars, sondern
zugleich auch Englands erste Symphonie".
Kurz danach folgte ein Violinkonzert und dann
eine weitere Symphonie in den Jahren 1910 bzw. 1911. Das Violinkonzert h-moll wurde Fritz
Kreisler gewidmet, der die Uraufführung spielte. Die Partitur fängt mit einer
Eintragung in spanischer Sprache an: "Aquí está encerrada el alma de ......" ("hier
ist die Seele von ...... verwahrt"). Manche behaupten, daß Elgar dabei an Alice
Stuart-Wortley, Tochter des englischen prä-raphaelitischen Malers Millais, gedacht hat.
Zu diesem Zeitpunkt war sie nämlich Elgar und seiner Musik eng verbunden. Das Konzert
ist ein schwieriges Virtuosenstück, in seinem Ausmaß dem Beethoven'schen
Konzert ähnlich, dennoch reicher in seiner Instrumentierung. Der langsame Satz strahlt
eine besondere Schönheit aus, während der Schlußsatz ein einmaliges und
zauberhaft wirkendes Merkmal beinhaltet - eine begleitete Cadenza, bei der die Streicher
angewiesen sind, die pizzicato tremolando Passage mit den Weichteilen dreier Finger zu
trommeln, während die Violine über Ideen, die aus den früheren
Sätzen stammen, lange reflektiert.
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Elgar conducting at Wembley
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Die Symphonie Nr. 2 Es-dur, wenn auch
keineswegs auf Anhieb so erfolgreich wie ihr Vorgänger, ist dennoch wahrscheinlich die
tiefsinnigste symphonische Äußerung Elgars. Am Anfang der Partitur steht ein Zitat
von Shelley: "Rarely, rarely comest thou, spirit of delight" (Selten, selten kommst du, Geist der
Wonne), und suggeriert demzufolge, daß dieses Werk nicht nur von Wonne, sondern auch
von deren Seltenheit handelt. Obwohl Elgar die Symphonie dem Andenken des kürzlich
verstorbenen Königs Edward VII widmete, ist sie vielmehr als nur Ausdruck der
Nationaltrauer um den Tod eines sehr beliebten Monarchen. Elgar vertraute seinen Freunden an,
daß die Symphonie alles, was ihm zwischen April 1909 und Februar 1911 passiert war,
symbolisierte und daß ihre eigentlichen Wurzeln noch weiter zurückgingen. Zwei
Orte sind in der Partitur zu finden: Venedig und Tintagel. In Wirklichkeit beginnt das Larghetto,
normalerweise als Trauerklagelied für den verstorbenen König angedeutet, mit
einer Idee, die durch die Markus-Basilica in Venedig - welche Elgar 1909 besucht hatte -
inspiriert wurde.
Zwischen der Zeit der zweiten Symphonie und dem Beginn des ersten Weltkrieges im Jahre
1914 erschienen nur zwei Hauptwerke Elgars - The Music
Makers, eine Ode für Alt, Chor und Orchester auf der Basis eines Gedichts von
Arthur O'Shaughnessy (1912), sowie eine symphonische Studie über Shakespeares Falstaff (1913). The Music Makers ist ein tief
persönliches Werk, das zahlreiche Selbstzitate aus seinen früheren Werken
beinhaltet. Es drückt die einflußreiche und positive Rolle des schöpferischen
Künstlers auf die Gesellschaft aus und unterstreicht gleichzeitig Elgars Einsamkeit und
Verwundbarkeit. Elgar betrachtete Falstaff als eines von seinen besten Werken - eine
Wertschätzung, die viele Berufsmusiker teilen. Doch nach den persönlichen
seelischen Ergüssen der großen Oratorien, der Symphonien und des Violinkonzerts
wirkte Falstaff eher relativ unpersönlich, was wahrscheinlich die
Erklärung für die relative Geringschätzung bietet.
Der Erste Weltkrieg deprimierte Elgar zutiefst. Mit Ausnahme von einigen patriotischen
Stücken, Bühnenmusik für ein Kindertheaterstück The Starlight Express (1915), Vertonungen von drei
Kriegsgedichten von Laurence Binyon, The Spirit of
England (1915-17) und dem Ballett The Sanguine
Fan (1917), entstanden keine großangelegten Werke. Erst 1918-19,
während seiner letzten großen Periode des Komponierens, erschienen seine drei
kammermusikalischen Werke - die Violinsonate
e-moll, das Streichquartett e-moll und das
Klavierquintett a-moll sowie das Cellokonzert e-moll, sein letztes großes
Meisterwerk. Das Publikum merkte schnell den geänderten Charakter seiner Musik -
vergangen waren die Pracht und Bravur früherer Zeiten. Anstelle davon trat ein neuer
Elgar auf, der weniger selbstsicher und zügleich beschaulicher und mehr
zurückgezogen war. In bezug auf das Cellokonzert sagt Professor Ian Parrott,
"es ist ein eigenartiges Werk, komponiert von einem einsamen Mann in der Kriegszeit, der
begreift, daß die künstlerischen Werte seiner Welt sich unwiderruflich
geändert haben."
1920 starb Lady Elgar, und mit ihr starb auch viel von Elgars Inspiration und seinem Willen
zu komponieren. Sie hatte seinen ganzen Haushalt organisiert und für seine
Bequemlichkeit gesorgt. Über Jahre hinweg hatte sie ihm unzählige Stunden
lästiger Arbeit abgenommen, wie zum Beispiel das Zeichnen von Linien auf Musikpapier.
Bei allen Wetterbedingungen war sie meilenweit gelaufen, um wertvolle Manuskript- und
Korrekturfahnenpakete zur Post zu geben. Während der frühen Tage ihrer Ehe hatte
sie außerdem mit ihm zusammengearbeitet, um Werke entstehen zu lassen wie Scenes from the Bavarian Highlands (1896) - Elgars
Vertonungen über Gedichte seiner Frau, welche auf einen angenehmen Urlaub in
Deutschland zurückgingen. Zuweilen, als der entscheidende Erfolg noch immer
auszubleiben schien, hielt sie in ihrer Überzeugung fest zu ihm. Kurzum, sie war die
treibende Kraft hinter seinem Genie, bei jeder Gelegenheit hatte sie ihn ermutigt und seine
Talente gepriesen.
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Elgar with Marco, his spaniel dog
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Während der 20er Jahren lebte Elgar, durch den schmerzlichen Verlust seiner Frau
wie auch durch die gesellschaftlichen und musikalischen Änderungen infolge des Ersten
Weltkriegs tief deprimiert, zurückgezogen, nach außen hin zufrieden, als
Landedelmann mit seinen Hunden in seinem geliebten Worcestershire. Nur gelegentlich kam
er aus dieser abgeschiedenen Welt wegen zu einem Besuch nach London, um als Dirigent
aufzutreten oder um seine Musik auf Schallplatte einzuspielen (für die englische
Schallplattenfirma HMV hat er eine hervorragende Reihe von Aufnahmen seiner eigenen Musik
gemacht). Ehren wurden ihm nach wie vor zuteil. 1928 wurde er Knight Commander of the
Victorian Order (K.C.V.O.). Um diese Zeit herum schien Elgar neu belebt zu sein, denn er
begann mit der Arbeit an mehreren größeren Projekten, unter anderen an einer Oper
"The Spanish Lady" sowie auch an einer dritten Symphonie. 1933 ist er nach Paris geflogen, um
sein Violinkonzert zu dirigieren. Solist war der junge Yehudi Menuhin, mit dem er das Werk
mehrere Wochen zuvor in London auf Schallplatte eingespielt hatte (eine Aufnahme, die bis
heute noch erhältlich geblieben ist). Während seines Aufenthalts in Frankreich
nahm Elgar die Gelegenheit wahr, den deutschstämmigen englischen Komponisten
Frederick Delius zu Hause in Grez-sur-Loing zu besuchen. Beide Männer hatten nur noch
ein Jahr zu leben. Oktober 1933 wurde ein bösartiger Tumor bei Elgar entdeckt, der gegen
den Ischiasnerv drückte. Weiterzukomponieren wurde jetzt unmöglich, und er starb
an den Folgen dieser Krankheit am 23. Februar, 1934.
© ELGAR SOCIETY 1979
"Dreißig Jahre nach seinem Tod 1934 wurde seine Musik für 'nicht mehr in
Mode' gehalten. Seiner Musik wurde nachgesagt, sie verkörpere das Edwardische Zeitalter
und sei zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr relevant. Dennoch glaube ich, daß
diese Musik von einer solch überragenden Größe geprägt ist, daß
sie nicht an einen kurzen Zeitraum gebunden ist. Sie ist in jedem Fall Musik so einer
persönlichen Natur, daß sie nur als 'Elgarsche' und nicht als 'Edwardische' Musik
beschrieben werden kann."
Michael Kennedy - 'Portrait of Elgar'
(Oxford University Press -1968)
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" . . . Seine größte Musik wurde - und wird immer noch - als der Inbegriff des
Englischen betrachtet. . . .Doch danach bleibt noch das Paradox, daß die Musik Elgars vor
allem von Immigranten und Ausländern gewürdigt wurde . . ."
" . . . Sie (die Elgars) waren stolz, Engländer zu sein; sie haben sich oft mit den
kleinen wie auch mit den gro�en Streitfragen ihrer Zeit auseinandergesetzt; jedoch haben sie als
axiomatisch akzeptiert, daß eine nationale Sentimentalität ohne Verbindung zur
humanistischen Tradition des europäischen Denkens ohne Wert war . . . "
Dr. Percy M. Young - 'Elgar O.M.'
(Purnell Book Services - 1973 edition)
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